Vor einigen Jahren, als ich den Kinderheilkunde Kurs noch vor Ort gab (und jeden zweiten Samstag im Winter irgendwo zwischen Fribourg und Winterthur meinen Kurs hielt), da waren ab und zu auch ganz aussergewöhnliche Teilnehmerinnen dabei.

Frau F. was so eine. Sie war deswegen aussergewöhnlich, weil sie über 70 Jahre alt war, mehrfache Mutter und mehrfache Grossmutter.

Ohje, dachte ich, was will diese gestandene, lebenserfahrende Frau (und Bäuerin) von mir schon lernen? Kann nicht sein, dass sie wirklich was Neues lernt von mir (ok, einige Mittel und Methoden waren vor 40 Jahren sicher noch nicht bekannt).

Sie sass neben ihrer Tochter und hörte den ganzen Nachmittag still zu. Erst gegen Schluss, als die Fragerunde am Abflauen war, meldete sich Frau F. zu Wort. Ob sie auch noch was sagen dürfe, eigentlich keine Frage hätte, aber einen Einwand, wenn sie dürfe.

Natürlich! Nur zu!

„Schaut ihr lieben Frauen“, fing sie an, „ich bin über 70 Jahre alt und habe vieles gesehen und erlebt in meinem Leben. Wir hatten früher nicht viel, ich lebte mit meiner Familie an einem Hoger, fernab vom Dorf, weit entfernt von der nächsten Stadt. Wenn ein Kind von uns krank war, da gabs Zwiebelwickel, Tee und Kirschensteinkissen fürs schmerzende Ohr, oft tagelang, und wenn wir wirklich zum Arzt gehen mussten, fuhren wir mit dem Fuhrwerk und dem Pferd in die Stadt. Wir haben uns ausgeruht, wärmende Brustwickel bekommen und so oft viele kränkelnde Winterwochen überstanden.

Heute könnt ihr, wenn immer ihr wollt, in euer Auto steigen und zum Arzt fahren oder sogar in die Notaufnahme. Das ist auch gut, vieles hat sich verbessert. Aber ich möchte euch einfach noch etwas auf den Weg geben – vieles ist machbar, mit etwas Zeit und Geduld. Viele Mittel sind heute sehr hilfreich, aber auch die aus der eigenen Küche oder heilkundliche Mittel können so vieles bewirken.“

Ich war sehr gerührt von ihren Worten. Und seit geraumer Zeit (nicht erst seit 2020) frage ich mich – wie viel können unsere Ärzte und Kinderärzte überhaupt noch machen, kapazitätsmässig gesehen?

Gerade weil uns Eltern schon früh eine grosse Unsicherheit eingepflanzt wird („das kann nur der Arzt!“), trauen sich viele Eltern gar nicht, ihr Kind im Fieberfall, bei Husten oder Bronchitis etwas anderes zu geben, als das vom Arzt verordnete Medikament.

Warum dieser Weg oft in einer Schlaufe endet, darüber habe ich in diesem Blog geschrieben (Mein Kind ist Immer/Nie krank).

Wir tun alle gut daran, in diesen – ja, rauen Zeiten viel mehr für unsere eigenen Gesundheit zu tun. Zu wissen, wie viel und wie kann ich mein Kind sicher im Krankheitsfall begleiten, unterstützen und merken: das können wir gemeinsam meistern.